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Güterwagons auf Gleisen bei Tag

Die Schweizerische Trassenvergabestelle kurz erklärt

1. Wer ist die TVS?

Die Schweizerische Trassenvergabestelle (TVS) ist eine nicht gewinnorientierte, öffentlich-rechtliche Anstalt des Bundes mit eigener Rechtspersönlichkeit. Sie ist in ihrer Organisation und Betriebsführung selbständig und führt eine eigene Rechnung. Die Rolle des Eigentümers wird vom eidgenössischen Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation UVEK wahrgenommen.

2. Was ist eine Trasse und warum braucht es eine Trassenvergabe?

Das Schweizer Eisenbahnnetz wird von über 40 verschiedenen Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) gemeinsam genutzt. Damit dies funktioniert, müssen die EVU für jeden Zug jeweils ein zeitlich und örtlich gebundenes Nutzungsrecht für das Schienennetz – eine sogenannte Trasse – beantragen.

Eine Trasse (auch Fahrplantrasse genannt) ist die Berechtigung,

  • eine bestimmte Strecke des Bahnnetzes,
  • zu fix definierten Zeiten
  • mit einem spezifischen Zug (Länge, Gewicht, Profil, Geschwindigkeit),

zu befahren.

Die TVS koordiniert die einzelnen Nutzungswünsche. Sie regelt die Konflikte, wenn zwei oder mehrere Wünsche sich gegenseitig behindern und teilt die Trassen zu. Die Summe aller Trassenzuteilungen ergibt den Fahrplan.

3. Zuständigkeit der TVS

Die TVS ist für das gesamte interoperable Normalspurnetz sowie für die nicht interoperablen Normalspurstrecken Emmenbrücke – Lenzburg und Zürich-Selnau – Zürich-Giesshübel (Abzw.) zuständig. Sie ist nicht zuständig für normalspurige Grenzbetriebsstrecken mit anderer Zuständigkeitsregel aufgrund von Staatsverträgen. Dies betrifft namentlich die Strecken der Deutschen und der Österreichischen Bahnen auf Schweizer Gebiet. Für die Führung des Infrastrukturregisters (siehe Kap. 4) gelten spezifische Zuständigkeitsregeln, welche das Bundesamt für Verkehr (BAV) in einer Richtlinie festgelegt hat.

Bahnnetz im Zuständigkeitsbereich der TVS

ISB in Zuständigkeit der TVS (nur Normalspurstrecken)

  • SBB: gesamtes Netz inkl. Sensetalbahn
  • BLS: gesamtes Netz
  • SOB: gesamtes Netz
  • HBS: gesamtes Netz
  • CJ: Porrentruy - Bonfol
  • ETB: Sumiswald-Grünen - Huttwil / Wasen i.E.
  • OeBB: Oensingen - Balsthal
  • ST: Hinwil - Bäretswil - Bauma; Sursee - Triengen-Winikon
  • SZU: Zürich - Sihlbrugg; Zürich Wiedikon - Zürich Giesshübel
  • TMR: Martigny - Orsières; Sembrancher - Le Châble
  • tpf: Romont - Bulle; Givisiez - Murten; Muntelier - Ins
  • transN: Travers - Buttes
  • Travys: Le Pont - Le Brassus; Orbe - Chavornay

Normalspurstrecken nicht in Zuständigkeit der TVS

  • AB: Rorschach - Heiden
  • AVA: Wohlen - Villmergen
  • RB: Arth-Goldau/Vitznau - Rigi
  • SEHR: Etzwilen - Ramsen Grenze
  • SZU: Zürich - Giesshübel Abzweigung - Üetliberg
  • TSOL: Renens - Lausanne Flon
  • VVT: Fleurier - St. Sulpice
  • DB Netz: Deutsche Eisenbahnstrecken auf Schweizer Gebiet
  • ÖBB: Österreichische Eisenbahnstrecken auf Schweizer Gebiet
  • Drei-/Vierschienengleise: asm, RBS, RhB, zb

Karte Bahnnetz im Zuständigkeitsbereich der TVS

4. Aufgaben der TVS

Die Aufgaben der TVS sind durch das bilaterale Landverkehrsabkommen mit der EU vorgegeben. Die Schweiz verpflichtete sich mit dessen Unterzeichnung im Jahr 1999 zur Übernahme der Richtlinie 91/440/EWG und zur gleichwertigen Weiterentwicklung des Rechts in diesem Bereich. Bei Inkrafttreten des Landverkehrsabkommens im Sommer 2002 war das erste Bahnpaket der EU, insbesondere die Richtlinie 2001/14/EG, massgebend.

Das erste EU-Bahnpaket geht vom Grundsatz aus, dass für das Funktionieren des mit dem freien Netzzugang bezweckten Wettbewerbs alle Marktteilnehmer dieselben Zugangsbedingungen haben müssen. Deshalb sind bei integrierten Bahnen mit eigenen EVU alle für den Netzzugang wesentlichen Funktionen durch eine unabhängige Trassenvergabestelle auszuüben. Dies sind namentlich die Trassenplanung (Fahrplanerstellung) und die Trassenvergabe. Auch die Festlegung des Trassenbenutzungsentgelts (Trassenpreis) und dessen Erhebung sind gemäss dem erstem EU-Bahnpaket für den Netzzugang wesentliche Funktionen. Da in der Schweiz das Trassenpreissystem durch den Bund vorgegeben wird, hat sich der Bundesrat darauf beschränkt, der TVS lediglich das Inkasso des Trassenbenutzungsentgelts zu übertragen.

Die TVS erstellt den Fahrplan nicht selber, sondern beauftragt die Infrastrukturbetreiberinnen (ISB) mit der Erarbeitung von Fahrplanentwürfen. Diese Möglichkeit ist in Art 9f des Eisenbahngesetzes explizit vorgesehen. Sie bleibt in diesem Auftragsmodell aber für die Fahrplanplanung verantwortlich und muss jederzeit garantieren können, dass die in ihrem Auftrag vorgenommenen Fahrplanplanungen diskriminierungsfrei erfolgen.

Im Wesentlichen gibt es drei denkbare Möglichkeiten, beim Fahrplan bewusst oder unbewusst zu diskriminieren:

  • Ungerechtfertigte Ablehnung von umsetzbaren Trassenanträgen;
  • Nichtaufzeigen der bestmöglichen Alternativen bei nicht wie beantragt realisierbaren Nutzungswünschen;
  • falsche Anwendung der Rechtsgrundlagen.

Das Geschäftsmodell der TVS setzt bei diesen Möglichkeiten an. Die TVS ist überall dort aktiv, wo dies geschehen könnte. Dies beginnt nicht erst mit der Trassenbeantragung, sondern bereits in der Vorbereitung auf den Jahresfahrplan.

Aktivitäten der TVS

Jahresfahrplan

 

Begleitung von Trassenstudien
Wenn Verlader oder EVU in unterschiedlichen Fristigkeiten neue oder angepasste Verkehrskonzepte entwickeln, lassen sie oft die Machbarkeit ihrer Konzepte durch die Fahrplanplaner prüfen. Würde ein Fahrplanplaner ohne Studienbegleitung durch die TVS ein Konzept ungerechtfertigterweise als nicht umsetzbar bezeichnen, käme es nicht zur Trassenbeantragung. Die TVS könnte in diesem Fall die Diskriminierungsfreiheit nicht sicherstellen. Deshalb erhält die TVS einen Überblick über sämtliche Trassenstudien. Sie entscheidet eigenständig, welche Studien sie begleitet.

Netzzugangs- und Netznutzungsbedingungen der ISB (Network Statement)
Die TVS erstellt für die Nutzung der Infrastrukturnetze der ISB BLS, SBB (inklusive der durch die SBB betriebenen Netze der HBS und der STB) und SOB die Bestimmungen für die Bestellung von Trassen und Zusatzleistungen. Die ISB übernehmen diese in deren Network Statements. Bei den weiteren ISB im Zuständigkeitsbereich der TVS ist dies mittelfristig ebenfalls vorgesehen. Bis dahin werden die Zugangs-bedingungen dieser ISB gesammelt publiziert.

Trassenkataloge und Trassenangebote der Güterverkehrskorridore
Für die Nord-Süd-Güterverkehrsachsen erarbeiten die Fahrplanplaner im Auftrag der TVS kapazitätsmaximierend konstruierte, vorgefertigte Systemtrassen. Diese dienen den Trassenbestellern als Bestellhilfe. Die TVS prüft und publiziert die Trassenkataloge. Als Mitglied der Güterverkehrskorridore Rhein – Alpen und Nordsee – Mittelmeer wirkt sie zudem in der Festlegung der von diesen angebotenen vorkonstruierten, grenzüberschreitend abgestimmten Korridor-Trassenangebote (pre-arranged paths) mit.

Rahmenvereinbarungen
EVU müssen für neue Verkehre in der Regel in Ressourcen (Rollmaterial, Personal etc.) investieren. Die Refinanzierung über Gewinnmargen dauert mehrere Jahre. Trassen werden jedoch nur für ein Jahr vergeben. Ein EVU hat somit keine Garantie, dass es bis zum Erreichen der Gewinnschwelle jeweils Trassen erhalten wird.
Um eine gewisse Investitionssicherheit zu gewährleisten, sehen deshalb das europäische und das Schweizer Recht die Möglichkeit von Rahmenvereinbarungen vor. Hierbei verpflichtet sich der ISB, dem Netznutzer über eine Fahrplanperiode hinaus Trassenangebote innerhalb einer Kapazitätsbandbreite anzubieten. Der Netznutzer verpflichtet sich, diese Trassen während der Dauer der Rahmenvereinbarung jeweils zu beantragen. Erfüllt eine der beiden Vertragsparteien ihre Verpflichtung nicht, so wird sie gegenüber der anderen entschädigungspflichtig.
Derzeit bieten die Schweizer ISB keine Rahmenvereinbarungen an. Sollte dies jedoch künftig der Fall sein, wird die TVS sicherzustellen, dass alle Interessierten eine gleichwertige Möglichkeit zum Vertragsabschluss haben. Sie publiziert die für Rahmenvereinbarungen verfügbare Kapazität (Kapazitätserklärung), begleitet die Aushandlungen, falls die Nachfrage nach Rahmenvereinbarungen das Angebot übersteigt und gewährleistet eine diskriminierungsfreie Aushandlung und Vergabe der Rahmenvereinbarungen.

Jahresfahrplan: Entgegennahme der Trassenanträge, Konfliktlösung und Zuteilung der Trassen
Im Jahresfahrplanprozess führt die TVS die Koordinations- und Konfliktlösungsphase. Ein Trassenkonflikt tritt ein, wenn zwei oder mehrere Trassenanträge sich gegenseitig behindern und nicht wie beantragt umgesetzt werden können. Das Ziel der TVS ist es, Alternativen zu finden, sodass alle Anträge umgesetzt werden können. In den Konfliktlösungsverhandlungen fordert sie deshalb von allen Beteiligten Flexibilität ein, unabhängig von der Prioritätenordnung. Diese erwartete Flexibilität endet dort, wo Anschlüsse nicht mehr gewährleistet oder Transportketten nicht mehr gesichert wären.
Die Alternativen müssen für die EVU kommerziell attraktiv sein. Es genügt nicht, einfach die nächste freie Fahrplantrasse zu suchen. Die EVU müssen ihre Verkehre auch effizient abwickeln können. Deshalb setzen die Alternativen sowohl bei der Fahrplanplanung wie auch bei den Produktionskonzepten der EVU an. Bei nicht einvernehmlich lösbaren Trassenbestellkonflikten fällt die TVS die Zuteilungs- und Ablehnungsentscheide anhand der Prioritätenregeln.

Trassenvergabe im unterjährigen Fahrplan
Im laufenden Fahrplan werden die Trassenanträge nach der zeitlichen Reihenfolge ihres Eingangs bearbeitet. Die TVS begleitet die Bearbeitung von Anträgen, welche nicht wie bestellt umsetzbar sind, und sucht zusammen mit den ISB und Antragstellern Alternativen. Wird keine Lösung gefunden, so lehnt sie den Antrag ab. Die TVS ist Eingangs- und Ausgangstor für alle unterjährig eingereichten Anträge mit Ausnahme der Extrazüge und sehr kurzfristig (operativ) eingereichten Anträgen, welche sie im Nachhinein prüft.

Kapazitätsanalyse für als überlastet erklärte Strecken
Muss die TVS Trassenanträge aus Kapazitätsgründen ablehnen oder ist dies absehbar, erklärt sie gestützt auf Art. 12a der Eisenbahn-Netzzugangsverordnung (NZV) die Engpassstrecke für überlastet, analysiert die Engpasssituation und erarbeitet Massnahmen zur Milderung oder Bewältigung des Engpasses. Sie kann die erarbeiteten Massnahmen für verbindlich erklären.

Inkasso des Trassenbenutzungsentgelts
Die TVS nimmt das Inkasso der Trassenbenutzungsgebühren für die Grund- und Zusatzleistungen im Namen und auf Rechnung der ISB vor. Für die Bestimmung der in Rechnung zu stellenden Beträge nutzt sie die bestehenden IT-Systeme. Alle ISB sind verpflichtet, die auf ihrem Netz abgewickelten Betriebsleistungen sowie die erbrachten Zusatzleistungen aufgeschlüsselt nach den einzelnen EVU in die Systeme einzutragen oder der TVS in anderweitiger geeigneter Form zur Verfügung zu stellen.
Zur Gewährung der Diskriminierungsfreiheit wird die TVS nebst der Rechnungserstellung zudem ein aktives Monitoring durch Zugriff auf die relevanten Planungs- und Abrechnungssysteme der ISB und durch die Überwachung des Reklamationswesens betreiben.

Betrieb des Infrastrukturregisters
Möchte ein EVU das Schienennetz für Zugsfahrten nutzen, muss das verwendete Rollmaterial kompatibel zu den technischen Anforderungen der Bahninfrastruktur sein. Die Schweiz hat im Rahmen des zweiten Schritts der Bahnreform 2 die Richtlinie der EU über die Interoperabilität des Eisenbahnsystems übernommen. Diese fordert, dass jedes Land ein Eisenbahninfrastrukturregister mit den aktuell sowie für die kommenden fünf Jahren relevanten Infrastrukturparameter für das Befahren der einzelnen Strecken veröffentlicht und regelmässig aktualisiert.
Die TVS führt das Eisenbahninfrastrukturregister. Dieses ist eine Datenbank mit je Strecke differenzierten technischen Anforderungen an das Rollmaterial in den Teilsystemen Infrastruktur, Energie sowie streckenseitige Zugsteuerung/Signalisierung. Rollmaterialhersteller und EVU können abfragen, ob und auf welcher Strecke ihr aktuelles bzw. künftiges Rollmaterial verkehren kann, bzw. wie das Rollmaterial beschaffen sein muss, um auf einer Strecke verkehren zu können. Die Bestätigung der Konformität des Rollmaterials mit den Infrastrukturanforderungen ist eine zentrale Voraussetzung für die streckennetzspezifische Rollmaterialzulassung.

Publikation der Investitionspläne
Die Investitionspläne der ISB geben Auskunft über alle Investitionsprojekte in den Substanzerhalt und den Ausbau sowie über deren Finanzierung für mindestens die kommenden fünf Jahre. Zur Ermöglichung des vorgeschriebenen Einbezugs der EVU und Anschliesser sind die Investitionspläne zu veröffentlichen. Konkret sieht das BAV vor, dass die TVS auf ihrer Homepage einen Link zur Datenbank des BAV einfügt.

5. Finanzierung der TVS

Die TVS ist nicht gewinnorientiert. Sie finanziert sich über Gebühren der ISB, für welche sie zuständig ist. Diese Gebühren decken den geplanten und vom Verwaltungsrat mit dem Budget genehmigten Nettoaufwand (Betriebsaufwand minus übrige Erträge). Sie werden unter den einzelnen ISB im Verhältnis der auf ihren Bahnnetzen durch die TVS zugeteilten Trassenkilometer aufgeteilt und ihnen in Rechnung gestellt. Die ISB refinanzieren die ihnen dadurch entstehenden Betriebsaufwendungen über den Zahlungsrahmen zur Leistungsvereinbarung mit dem Bund für den Infrastrukturbetrieb aus dem Bahninfrastrukturfonds BIF.

 

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